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ARNE JANSEN & STEPHAN BRAUN „GOING HOME“ (28.04.2023, Herzog Records)

Der Duft der Kindheit. Das tröstliche Gutenachtlied der Eltern. Der erste Kuss. Wie großartig wäre es, könnte man die magischen Eindrücke des noch jungen Lebens für immer konservieren! Nicht in Form eines entfärbten Schnappschusses, sondern in seiner ganzen emotionalen Essenz. Gewissermaßen als „Explosion im Herzen“, wie es im Text des Dire-Straits-Songs „Romeo & Juliet“ heißt.

Woran die Neurowissenschaft im Silicon Valley möglicherweise noch fieberhaft experimentiert, ist dem Gitarristen Arne Jansen und dem Cellisten Stephan Braun mit ihrem Album „Going Home“ bereits gelungen – die Zuhörenden unmittelbar teilhaben lassen am Zauber des ersten Mals. Als man nur Gefühl war und ohne Vorurteile. So wie Arne Jansen in jenem Dänemark-Urlaub Mitte der 1980er Jahre, der mit einer herben Enttäuschung begonnen hatte.

Anstatt des gewünschten „Die drei Fragezeichen“-Hörspiels hatte der Vater eine merkwürdige Musikkassette auf dem Flohmarkt gekauft. Es handelte sich um die „Love Over Gold“ der Dire Straits mit dem epischen Opener „Telegraph Road“. Für Jansen, damals acht oder neun Jahre alt, war es eine ähnlich elektrisierende Erfahrung wie der gezackte Blitz auf der Hülle. Er habe die anfänglich so missgünstig beäugte Kassette rauf- und runtergehört, erinnert sich der gebürtige Flensburger.

Eine Zufallsbegegnung mit Langzeitfolgen: „Der Song ,Telegraph Road‘ ist der Grund, warum ich angefangen habe, Gitarre zu spielen“, erzählt Jansen. Was ein enormes Glück für die hiesige Musikszene war. „Einen Jazzgitarristen vom Format des Berliners Arne Jansen hat es in Deutschland seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben. Vielleicht noch nie“, urteilte etwa das Fachmagazin Jazzthetik über Jansens spartensprengende Fähigkeiten auf seinem Instrument, die ihm unter anderem zwei Auszeichnungen mit dem „ECHO Jazz“ für die Alben „The Sleep of Reason – Ode to Goya“ und „Nine Firmaments“ einbrachten.

„Going Home“ ist nun die persönlichste Einspielung des Gitarristen, den man u.a. als kongenialen Saitenpartner des Trompeters Nils Wülker kennt. Jansen nimmt die Zuhörenden mit auf eine Reise zu den Wurzeln seiner Musikbegeisterung. Und lässt sie mit jedem nuancenreichen Ton spüren, was ihm die Dire Straits und ihr gitarristischer Kopf Mark Knopfler einst bedeuteten und welche fein verästelten Seeleneindrücke sie bei ihm hinterlassen haben. In dem Cellisten und Bassisten Stephan Braun, mit dem er seit über 20 Jahren musikalisch und freundschaftlich eng verbunden ist, hat Jansen einen gleichermaßen überraschenden wie perfekten Duett-Partner für die originellen kammer-jazzrockigen Umdeutungen der Songs seiner Jugend gefunden.

Denn Braun ist ein Ein-Mann-Orchester, der dank einer zusätzlichen tiefen Saite auf dem Cello, ungewöhnlicher perkussiver Spieltechniken und großem improvisatorischem Geschick die Funktionen einer ganzen Band zu übernehmen vermag (wer sich das anschauen möchte, sollte auf YouTube unbedingt mal nach Brauns atemberaubenden „Somewhere Over the Rainbow“-Live-Versionen mit US-Gesangsstar Melody Gardot suchen).

Klar ist: So wie auf „Going Home“ hat man die bekanntesten Lieder der erfolgreichsten britischen Rock-Gruppe der 1980er Jahre noch nie gehört. Das geht sogar so weit, dass man die millionenfach verkauften Gassenhauer stellenweise kaum oder erst ganz spät erkennt und sie dadurch ganz neu für sich entdecken kann – sei es „Money for Nothing“, das als Walzer mit einem gewissen Wüsten-Rock-Twang wiedergeboren wird, sei es das unglaublich lässig tänzelnde „Sultans of Swing“ oder das beinahe schon clubbig-psychedelisch daherkommende „Calling Elvis“.

Als besonders eindrücklich erweist sich neben Jansens Solo-Vortrag des Titelstücks mit seiner feinen Chord-Melody-Poesie die stille Duo-Lesart des Welthits „Brothers in Arms“. Zu Letzterem hat Jansen eine spezielle Verbindung – 2012 spielte er die Nummer mit seinem Trio beim Konzert im Rahmen des Koktebel Jazz Festivals auf der Krim, die damals noch ukrainisch war. „Das war ein ganz bewegender Moment, es gab richtige Verbrüderungsszenen danach“, erzählt der Gitarrist, „da merkt man: Mark Knopfler schafft es, Songs zu schreiben, in denen sich tiefere Wahrheiten verbergen, die etwas in den Menschen überall auf der Welt zum Klingen bringt.“

In früheren Tagen habe er sich vor der Jazzkollegenschaft immer ein wenig für seinen musikalischen Jugendschwarm geschämt, gesteht Jansen lachend. Zumal die Dire Straits nicht nur in Jazzkreisen im Ruf standen, ziemlich uncool und bloß ein Fall für zauselige Englischlehrer zu sein. Doch eine Urlaubsreise, bei der er ausschließlich Miles Davis und Mark Knopfler hörte, machte dem vor den Toren Berlins lebenden Gitarristen bewusst: Seine beiden Heroen Miles und Mark verbindet mehr, als man landläufig denkt. Vor allem, was die Gabe angeht, mit ganz wenigen Tönen eine zutiefst persönliche Geschichte zu erzählen.

„Da gibt jemand wirklich etwas von sich preis“, erklärt Jansen. „Genau das ist es, was mich mittlerweile interessiert – dass der Zuhörerin oder dem Zuhörer klar wird, was für eine Bedeutung das Gespielte für dich hat. Und darum geht es auch auf diesem Album: Auf dem Instrument zu singen.“

 

ARNE JANSEN TRIO – NINE FIRMAMENTS (Traumton Records)

VÖ: 14.10.2016

Arne Jansen: Gitarre
Robert Lucaciu: Kontrabass
Eric Schaefer: Schlagzeug

„Er kann wunderbar lyrische Geflechte zaubern, vertrackte Themen aufflackern lassen und auch mal rockige Explosivität zelebrieren: Das Trio des Gitarristen Arne Jansen ist ein sinnlich-intellektuelles Vergnügen.“
(Jazzzeitung 2006/02, Critics Choice, Roland Spiegel, BR)

Als Gitarrist und Komponist hat Arne Jansen noch nie in Genre-Kategorien gedacht. Schon mit seinen ersten beiden Trio-Alben nahm der ECHO-Preisträger mindestens in Deutschland eine besondere Rolle ein. Melodiöse Stücke, transparente Arrangements und ein warmer Gitarrensound gehören bis heute zu Jansens Markenzeichen. Auch sein neues Album Nine Firmaments enthält viele „Songs ohne Worte“, von denen manche so schnell und ohne Umwege ins Bewusstsein wandern, als seien sie dort schon immer zuhause gewesen. Jansen bevorzugt klare Linien und vermeidet jede plakative Artistik. Der Gedanke, durch gezielte Wahl der Mittel intensivere Atmosphären und stärkere Aussagen zu entwickeln, motiviert ihn heute mehr denn je. Was nicht ausschließt, dass seine Finger zwischendurch in ihrer ganz eigenen Ästhetik übers Griffbrett tänzeln.

Immerhin nahm Arne Jansen einst als Teenager wegen Jimi Hendrix und den Dire Straits
erstmals eine Gitarre in die Hand. Große Erzähler des Pop, etwa Bob Dylan und Joni Mitchell, gehörten ebenso zu seinen frühen Inspirationsquellen wie die Beatles und Pink Floyd, die er im Plattenschrank seiner Eltern fand. Mit 17 entdeckte Arne Jansen Musik von Pat Metheny und John Scofield, die ihm neue Horizonte eröffneten. Heute, rund zwei Dutzend Jahre später, nennt Jansen für seine Stücke natürlich andere Inspirationsquellen. „Im Sommer 2012 unternahm ich mit meiner Frau eine Reise nach Südost- und Südeuropa. Wir bewegten uns auf den Spuren von Janacek und Rilke und in Lugano erinnerte ich mich an Hesses Roman Klingsors letzter Sommer“, erzählt Jansen. „Die Handlung eines Kapitels spielt im Bergdorf Carona und natürlich haben wir dann auch diesen Ort besucht. Kaum zurück in Deutschland, rief mich der Bassist Marc Muellbauer an und fragte, ob ich einige Konzerte in seinem Tentett spielen wolle. Eines davon fand, als einmaliges Ereignis, exakt in Carona statt, wodurch ich 2013 ein zweites Mal dort war. Das war schon eine Art Zeichen.“ Die Atmosphäre südländischer Sommernächte lässt sich, sagt Jansen, schon an den Titeln einiger Stücke ablesen und gab der Musik eine gewisse Leichtigkeit und Gelassenheit.

Starke Impulse kamen auch von dem bildenden Künstler Timo Nasseri, den Jansen zu seinen langjährigen Freunden zählt. Nasseris Arbeiten sind auf dem Cover und im Booklet des Albums zu sehen, doch nicht nur das. „Eine seiner jüngsten Ausstellungen hieß Nine Firmaments“, erzählt Jansen, „die Definition des Firmaments als eine Verbindungs-Schicht von der irdischen Welt zu den höheren Mächten gefällt mir, zumal man das gleiche über Musik sagt. Außerdem heißt es in der Mythologie, dass in den neun Firmamenten die Engelschöre zuhause sind.“ Für das Bild auf der Vorderseite des Albumcovers hat Nasseri eine Sternkonstellation berechnet, wie sie am Todestag der historischen Visionärin, Philosophin und Astronomin Hypatia über Alexandria zu sehen war.

Selbstverständlich fanden keine Engelschöre den Weg in Arne Jansens musikalische Welt. Stattdessen kam ein neuer Bassist dazu, nämlich Robert Lucaciu aus Leipzig. Ihm eilt der Ruf voraus, sich auch mit Klangwelten der Neuen Musik zu beschäftigen und – neben trockenen Grooves und pointiert gezupften Tönen – alle Facetten den Bogenstrichs zu beherrschen. Letzteres ist in zwei Stücken, It’s Always Night und Between Two Moons, unüberhörbar. Am Schlagzeug sitzt hingegen ein alter Bekannter Jansens, nämlich Eric Schaefer. Seit 1997 sind sie beste Freunde. Beim Spielen verbindet die beiden ein intuitives Einverständnis, das auch in gemeinsamen Interessen abseits der Musik wurzelt. Jansen und Schaefer haben sich beide über Jahre intensiv mit Buddhismus und Meditation beschäftigt. „Direkt nach den Aufnahmen zum Album sagte Eric fast erstaunt zu mir, dass er noch nie so gradlinig gespielt habe“, erinnert sich Jansen lachend. Als Bandleader ist er zwar für alle Kompositionen verantwortlich, lässt aber stets Raum für Ideen von Schaefer und Lucaciu. Konsequent bezeichnet er die Musik auf Nine Firmaments als Ergebnis eines Bandprozesses. Das erwähnte Between Two Moons ist dafür ein gutes Beispiel. „Ich brachte eigentlich nur eine Skizze mit ins Studio, über die wir improvisiert haben. Schon der erste Take der Session kam letztlich auf die Platte.“ Die Dramaturgie mit schwellenden Sounds, klingenden Becken, gestrichenen Bass-Motiven und erst ab der Hälfte des Stücks einsetzenden Trommelschlägen kreiert eine individuelle Stimmung. Der letzte Titel des Albums, He Who Counts The Stars, fällt durch ein ebenso spezielles Arrangement auf, das dank Stephan Brauns Cello besonders kammermusikalisch erscheint.

Seit seinem Debüt erfreut sich das Arne Jansen Trio positiver Resonanz aus vielen Richtungen. Allein der Umfang der Print-Pressemappe ist enorm. 2014 wurde Jansen für das Album The Sleep of Reason-Ode to Goya (ACT) mit einem ECHO Jazz ausgezeichnet, im November des gleichen Jahres war die Band auf ausgedehnter Indien-Tournee. Dort gastierte sie unter anderem beim großen Jazz Utsav-Festival in Neu Delhi. Andere Festival-Einladungen kamen aus Riga und (vor der Annexion durch Russland) von der Krim; 2015 spielten Jansen & Co. im Rahmen der 25. Jazzbaltica. Darüber hinaus ist das Trio schon in den USA, Argentinien, Skandinavien und natürlich vielen europäischen Ländern getourt. Vor einigen Wochen wurde Jansen für den von der GEMA gestifteten Deutschen Musikautoren Preis nominiert, was besonders bemerkenswert ist, da in der Jury neben zwei Komponisten aus der Neuen Musik unter anderem Wolfgang Niedecken und Max Herre sitzen.

1975 in Kiel geboren, wollte Arne Jansen schon früh Gitarre spielen. Die Geigenlehrerin seiner Schwester fand jedoch, das sei kein ernsthaftes Instrument und riet zur Klarinette. An der Schule in Flensburg animierte eine Bigband Jansen nicht nur zum Mitspielen, sie brachte ihn auch zum Tenorsaxophon und zu Konzerten bis in die Vereinigten Staaten. Gleichzeitig hörte er Rockmusik, gründete dann sein erstes Gitarrentrio, mit dem er als „Vorgruppe“ der Schul-Bigband vor rund 1000 Jugendlichen bei einem (anderen) Konzert auf der Krim auftrat. Noch vor dem Abitur bekam Arne Jansen dank einer Landesförderung die Möglichkeit, einen ganzen Jahrgang der Jazzbaltica live zu verfolgen. „Nach den Konzerten saß ich mit den berühmten Musikern im Schloss zusammen und fühlte mich zuhause“, erinnert er sich. „Da wurde mir klar, dass ich das unbedingt auch machen muss, es war geradezu eine Notwendigkeit. Ich habe danach zwei Jahre geübt wie ein Verrückter, um die Aufnahmeprüfung an der Universität der Künste in Berlin zu schaffen.“ Von 1996 bis 2001 studierte er hier, unter anderem bei David Friedman, Peter Weniger und Jerry Granelli. Danach blieb er in der Hauptstadt.

Bis heute ist Arne Jansen kein großer Freund von Effektgeräten. Auftrumpfende Tempoorgien haben ihn noch nie interessiert. Absichtsvoll bewahrt er die Songform vor übertriebener Abstraktion, findet Tiefe in einem vieldeutigen, assoziativen Understatement, das zugänglich ist, ohne leichtfertig zu werden. Es gibt nicht viele Musiker im deutschen Jazz, die diesen Balanceakt so elegant vollziehen wie das Arne Jansen Trio.

Presse:
Diese Musik ruht […] in sich, verweigert sich dem verstiegen Experimentellen genauso konsequent wie dem vordergründig Sportlichen. Von diesem Gitarristen werde Töne nicht gefressen wie anabole Steroide, sondern flächig ausgebreitet, durch die Rockwalze gedreht, und mit dem Instrumentarium des Jazz filigran gedrechselt, bis daraus eine atmosphärische Stimmung erwachsen ist, die dann als eine Art Grundton erhalten bleibt. Bei Jansen atmet jeder Ton Authentizität.“
 Jazzpodium, Volker Doberstein, 12/2008

So sparsam und zögernd wie dieser Musiker immer wieder seine herrlich angerauten Töne in diese acht Instrumentals tropfen lässt, das ist einfach einzigartig, originell, eigenwillig und beeindruckend. Gemeinsam mit Eva Kruse (b) und Eric Schaefer (dr) ist dem Berliner eine Album-Produktion gelungen, die […] abseits von Jazz-Tradition, theoriegeschwängertem Skalendogmatismus und Avantgarde-Zwängen eine ganz eigene intensive und schöne Musik transportiert.“
Gitarre & Bass, 11/2008

Arne Jansen

The Sleep of Reason – Ode to Goya ACT 9539-2

VÖ: 31.05.2013

Wer den Berliner Gitarristen Arne Jansen einmal gehört hat, wird seinen Ton so schnell nicht wieder los. Dieses passionierte Wühlen in der warmen Vielfalt der elektrischen Gitarre, in dem sich stets zaghaftes Understatement mit spielerischer Wollust mischt. Diese klanggewordene Menschlichkeit, die immer das Besondere im Alltäglichen sucht, Ruhe ausstrahlt und doch selbst nie zur Ruhe kommt, weil sie eben immer am Suchen ist. Ja, Arne Jansen ist ein besonderer Gitarrist.

Mit seinem bislang dritten Album, seinem ACT-Debüt „The Sleep Of Reason“ erzählt er einmal mehr eine ganz persönliche Geschichte. Es ist eine Sammlung von Stücken über den spanischen Maler Francisco Goya, der seine künstlerische Vita als gefeierter Hofmaler begann und sich im Lauf seines langen Lebens in einen eigenbrötlerischen Visionär verwandelte, dessen schicksalhafter Einfluss auf die Kunst auch knapp 200 Jahre nach seinem Tod gar nicht überschätzt werden kann. Im Gegenteil, Goya wird immer gegenwärtiger. Dem Gitarristen ging es indes nicht um die kunsthistorische Bedeutung des Spaniers, als er sich daran machte, Goyas Bilderwelt in Klang zu übersetzen. Am Anfang stand eine individuelle Begegnung. Als Jansen vor ein paar Jahren ein Konzert in Madrid spielte, nahm er sich die Zeit, die berühmte Gemäldegalerie Prado zu besuchen. Als er schon auf dem Weg zum Ausgang war, fielen ihm plötzlich Goyas schwarze Gemälde ins Auge. Speziell der berühmte „Hexensabbath“ und die „Wallfahrt des San Isidro“ berührten ihn mit ihren verzerrten Gesichtern und im jähen Grauen aufgerissenen Augen dermaßen, dass er selbst von seiner intimsten Erfahrung mit Kunst in seinem ganzen Leben spricht. Er wusste, dieses Thema und dieser Mann würden ihn nicht mehr loslassen. Zurück in Berlin begann er sich intensiv mit Goya zu beschäftigen. Eine wahre Schreibflut setzte ein, die sich jetzt in seinem Album „The Sleep Of Reason“ erfüllt.

Jansen vermeidet es, einen allzu direkten Soundtrack zu Goya- Gemälden abzuliefern. Ihm geht es vor allem darum, was diese Bilder in ihm selbst ausgelöst haben. Obgleich er einige Reproduktionen Goyas während der Produktion im Studio aufgestellt hat, tritt er über die Distanz der Jahrhunderte in einen Dialog mit dem Künstler und antwortet den Bildern mit den Mitteln und Intentionen seiner eigenen Sprache. Er begegnet dem Spanier aus der Perspektive eines deutschen Musikers von heute, der sich keiner Hispanismen bedienen muss, um hinter diese Bildwelten zu dringen.

„Mich fasziniert an Goya, dass er im Laufe seines Lebens immer mehr bei der Essenz dessen ankommt, was für ihn Menschsein bedeutet“, so Jansen. „Er war immer sehr wahrhaftig im Umgang mit sich selbst. Um dem gerecht zu werden, musste auch ich ehrlich mit mir selbst sein. Spanische Einflüsse einzubringen wäre aber nicht ehrlich gewesen.“ Stattdessen mischt er jazzige und rockig hymnische Klangwelten, die mit zwei Coverversionen von U2’s „Love Is Blindness“ und „Brothers In Arms“ von den Dire Straits gekrönt werden. Beide Stücke stehen in keinem ursächlichen Zusammenhang mit Goya, waren aber für Jansens musikalische Vita von prägendem Einfluss und fügen sich thematisch organisch in die Gedankenwelt des großen Spaniers.

Goya war bekanntlich ein Einzeltäter, doch Jansen suchte sich eine Reihe von Verbündeten, um sein Farbspektrum so reich wie möglich auszuschöpfen. Er begann die Stücke in seinem Trio mit Schlagzeuger Eric Schaefer und Bassist Andreas Edelmann zu entwickeln und immer weiter aufzubauen, merkte jedoch, dass etwas fehlt. Gestalterische Ideen griffen Raum wie die Chimären Goyas, ursprüngliche Improvisationen wollten verfeinert werden, einmal manifestierte Formen verlangten immer wieder nach neuen Rahmen. Jansen ging nach Hamburg, um dort zusätzliche Tracks mit dem Keyboard- Forscher Friedrich Paravicini einzuspielen, der außer Hammond-Orgel, Cembalo, Vibrafon und Cello die Zauberklänge des Ondes Martenot, eines prähistorischen elektronischen Keyboards, beisteuerte. Doch die Klangbilder verlangten nach noch mehr Leben, Cellist Stephan Braun kam hinzu, ein Stück entstand im Duo mit Trompeter Nils Wülker, mit dem Jansen eine langjährige Zusammenarbeit verbindet. Maßgeblichen Anteil am Gesamtklang hatte auch Co- Produzent Axel Reinemer, bekannt von der Berliner Jazz- Produzenten-Guerilla Jazzanova, mit dem Jansen auf der Suche nach passenden Texturen und Sounds mehr Zeit im Studio verbracht hat als mit seinem Trio bei der ursprünglichen Aufnahmesession.

Am Ende steht ein komplexes Meisterwerk, das den Vergleich mit den gemalten Vorlagen nicht zu scheuen braucht, weil es weder abbildet noch kommentiert, sondern die zärtlich brutale Faszination musikalisch atmen lässt, den Goyas Bilder auf den wachen Geist des 21. Jahrhunderts ausüben. Goyas Kämpfe, das wird in dieser Musik überdeutlich, aber auch seine Erfüllung haben bis heute Bestand. Arne Jansen ist ein großer Klangmaler der Gegenwart

Jazzanova feat. Paul Randolph  

Ever changing and evolving, the Berlin based eclectic collective Jazzanova went from their early sampled and programmed productions in the 90s to a singer songwriter and live band project in early 2009. Within the past three years Jazzanova feat. Paul Randolph played far over 150 shows around the globe including festivals like MELT!, FLOW, CAPETOWN JAZZ, JAVA JAZZ, NORTH SEA JAZZ to name but a few. Jazzanova producers Stefan Leisering & Axel Reinemer succeeded in bringing the spirit of their productions, remixes and extensive DJ touring on the live stage. Whoever had the chance to see them play live knows how magical this experience can be. Like no others they transport the richness and sublimity of their productions perfectly on stage.

After extensively touring worldwide Jazzanova finally takes it to the next stage: The ‚FUNKHAUS STUDIO SESSIONS‘. Jazzanova‘s first live album release will please every true music lover with an affinity for warm, soulful, deep and genuine musicianship. It represents their live playlist including the songs the band learned to love the most on tour as well as the audience‘s favourites and last but not least their fantastically soulful new song ‚I HUMAN‘. The album was recorded at the legendary GDR Rundfunk Orchestra Studios in East Berlin and was released on Sonar Kollektiv in May 2012.

Nils Wülker Group „Just Here, Just Now-Tour“ 

 

 

Katja Riemann & Arne Jansen

Winter. Ein Roadmovie

„Wie klänge ein Schubert-Lied, wenn der, der es singt, nichts hätte als eine Stimme und eine Ausbildung, von dem unerträglichen aber, gegen das diese Lieder geschrieben wurden, hätte er keine Ahnung“ Martin Walser bringt auf den Punkt, was Schuberts oft nur als schwermütig schön verstandener Liederzyklus und Heinrich Heines berühmte „Winterreise“ gemeinsam haben – sie sind poetische Empfindung und politisches Epigramm.
In ihrer Verbindung von Geist und Seele, von Satire und Schwermut und Empfindsamkeit sind beide Werke ein Spiegel deutscher Geschichte. Katja Riemann und Arne Jansen beschäftigen sich in Zeiten der Eurokrise mit dem Traum von Europa, lange vor der EU. Heine und Schubert begegnen sich auf winterlicher Straße. Die Reise als Metapher für das Gefühl, heimatlos in der eigenen Heimat zu sein. Knapp dreißig Jahre liegen zwischen beiden Werken. Als Schubert seine tieftraurigen Balladen schrieb, erstickte Europa an der Restauration. Alleine in Wien gab es 10.000 „Geheimpolizisten“. Schubert trug viele seiner Arbeiten daher nur in kleinen, geschlossenen Zirkeln vor. Als Heinrich Heine im Winter 1843 von Paris nach Hamburg reiste, hatten sich die Dinge kaum geändert. Das schöne, satirische Versepos wurde in Preußen sofort verboten und ein Haftbefehl gegen den Dichter ausgestellt.

Booking: ertu@tomprodukt.de

https://www.tomprodukt.de/katja-riemann-und-arne-jansen